Dr. Giebel (Greifswald) schilderte die Anatomie der Orbita. Diese ist eine 4-seitige knöcherne Pyramide, deren Spitze mit dem Canalis opticus zur mittleren Schädelgrube zeigt. Inhalte der Orbita sind die Tränendrüse, der Augapfel, Augenmuskeln, Blutgefäße, Nerven, ein retrobulbärer Fettkörper und Baufett. Die mediale Wand ist sehr dünn (früher Lamina papyracea) und grenzt an die Siebbeinzellen. Weitere topografische Beziehungen bestehen zur Kieferhöhle, Stirnhöhle, Keilbeinhöhle (vor allem durch den N. opticus in seinem Kanal) und der vorderen Schädelgrube. Verbindungen der Venen bestehen zwischen der V. ophthalmica superior über den medialen Augenwinkel (zur V. angularis) sowie zum Sinus cavernosus, in den sie mündet, und über die V. ophthalmica inferior zum Plexus pterygoideus in der Fossa infratemporalis. Der Sinus cavernosus ist für die Orbita außerdem von Bedeutung, da durch ihn die Nerven III, IV, V1, (V2) und VI verlaufen, sowie die A. carotis interna, die die A. ophthalmica zur Augenhöhle abgibt. Nachbarschaftsbeziehungen bestehen auch zur Dura mater, die sich als Diaphragma sellae aufspannt und auch den N. opticus in der Orbita umhüllt. Wichtig ist auch die Kenntnis der sympathischen Versorgung des Augapfels (M. dilatator pupillae, M. tarsalis sup.), die über das obere Halsganglion erfolgt
In seinem Vortrag über den unklaren Augenschmerz stellte Prof. Tost (Greifswald) zuerst den komplexen Rezeptorapparat von Kornea und Konjunctiva vor, die die höchste Innervationsdichte aller Augengewebe aufweisen und von denen häufig Beschwerden ausgehen (auch chronischer Art). Augenschmerzen werden in 4 Kategorien eingeteilt: 1) reizfreies, gesundes Auge; 2) Entzündung des Auges; 3) Schmerz im Kopfbereich mit Augenbeteiligung; 4) hirnorganische Erkrankungen. Die Störungen können hervorgerufen werden durch Benetzungsstörungen oder falsch zentrierte Brillen (1), Sinusitis, Glaukom, Trauma, Keratitis (2), oder durch erhöhten Liquordruck, der einen Einfluß auf die Opticus-Papille hat und auch zur Atrophie am Sehnervenkopf führt (3, 4). Dr. Koppe (Greifswald) erklärte ausführlich die Anatomie der Nase. Phylogenetisch ist die menschliche Nase einzigartig, da sie hoch und schlank gestaltet ist und die Öffnungen nach unten gerichtet und nur noch 3 Muscheln vorhanden sind. Bei Nicht-Primaten dagegen ist die Nase flach, sehr lang und enthält viele Muscheln. Die Nase ist bei weitem nicht nur ein Riechorgan, sondern dient auch zur Konditionierung der Atemluft und zur Ausscheidung. Direkte Beziehung zur Nase haben die Nasennebenhöhlen. Ihre Funktion wird immer noch kontrovers diskutiert. Sie sollen das Schädelgewicht verringern, die Atemluft konditionieren oder auch zur Rahmenkonstruktion des Schädels beitragen. Die Schleimhaut der Nasennebenhöhlen besitzt einen genauso hohen Gefäßreichtum wie die Nase und ist in der Lage, Stickstoffmonoxid (NO) zu synthetisieren, was hormonähnliche Wirkungen hat. Bei den Siebbeinzellen handelt es sich um pneumatisierte Muscheln. Nasennebenhöhlen können unterschiedlich groß und auch durch Septen gekammert sein. Besonders wichtig sind die Nachbarschaftsbeziehungen von Kieferhöhle und 1./2. Molaren, den Siebbeinzellen und der Orbita, sowie der Keilbeinhöhle und dem Sinus cavernosus.
Dr. Preuße gab in seinem Vortrag „Ernährung und Schmerz“ einen ganzheitlichen Ansatz zur Ursachenfindung von Schmerzphänomenen. Diese ist besonders wichtig, wenn keine klare Diagnose gestellt werden kann. Statistisch gesehen herrscht in Deutschland ein sehr hoher Krankenstand, die Zahl allergischer Erkrankungen nimmt stetig zu, und ca. 11 Millionen Deutsche sind chronisch schmerzkrank. Falsche Ernährung kann die zunehmenden toxischen Belastungen des Körpers hervorrufen. So werden vielen Nahrungsmitteln Geschmacksstoffe zugesetzt, die zur Stoffgruppe der Zucker gehören und über eine Rückkopplung mit der Hypophyse Hungergefühle bewirken. Durch ständigen Genuß von Nahrungsmitteln mit einem hohen glykämischen Index (Zucker, Honig, Gummibärchen, Grieß, Stärke, Weißmehl, Kartoffeln, Nudeln, Schokolade) kommt es zur erhöhten Insulinproduktion, um den Blutzuckerspiegel niedrig zu halten. Die Insulinproduktion wiederum führt zur vermehrten Cholesterinbildung. Durch eine ständige Insulinausschüttung kommt es zur Hypoglykämie, die von Symptomen wie Kopfschmerz, Heuschnupfen, Rückenschmerzen oder auch Phobien begleitet sein kann. Dr. Preuße wies darauf hin, daß die Italiener die kränkeste Nation in Europa darstellen, was nicht zuletzt auf einen hohen Zuckergenuß in den Abendstunden beruht. Ein ägyptisches Sprichwort sagt „der Tod liegt im Darm“. Bei falscher Ernährung entstehen massiv gasgefüllten Gedärme, die in sog. Gasbäuchen resultieren, von denen viele Typen bekannt sind. Wichtig ist auch zu wissen, daß solche Bauchveränderungen von einer Tonusänderung der Mm. erector spinae sowie der Bauchwandmuskeln begleitet sein können, die morphologisch sehr auffällig sind und zu einer schlaffen Haltung führen. Durch Zucker und nicht zuletzt durch Medikamenteneinnahme befindet sich bei vielen Patienten die Leber im Dauerstress. So berichtet Preuße, daß die Patienten, die seine Praxis aufsuchen, durchschnittlich 13,7 Medikamente am Tag zu sich nehmen. Dadurch befindet sich die Leber, die über 600 verschiedene Funktionen ausübt, im Dauerstress. Auch das abendliche Essen führt neben einer massiven Leberbelastung zu einer schlechten Verdauung, dadurch Schonhaltung der Bauchmuskulatur und Zwerchfellhochstand. Neben der Leberbelastung wurden die Folgen von zu geringer Flüssigkeitsaufnahme geschildert. So führt der Verlust von 1,2 Liter Flüssigkeit bei einer 60 kg schweren Person zu einer um 20% verringerten Muskelkraft. Um solche und andere Folgen zu vermeiden, sollten täglich mindestens 4,2 Liter Flüssigkeit getrunken werden, die für die Funktionen von Darm (2,4 l), Niere (1-1,4 l) und Lunge (0, 8 l) essentiell sind.
Frau Dr. Rumpel (Greifswald) schilderte die Rolle des Thalamus bei der Schmerzwahrnehmung. Beim Schmerzerlebnis werden sensorisch diskriminative, affektive, motorische, vegetative und kognitiv bewertende Komponenten unterschieden. Der Thalamus ist ein Kerngebiet im Zwischenhirn, das den 3. Ventrikel begrenzt. Im Thalamus finden sich Kernkomplexe, die durch sagittal verlaufende Marklamellen voneinander getrennt sind. Nozizeptive Informationen erhält der Thalamus über den Tractus spinothalamicus und den Tractus trigeminothalamicus. Außer diesen Afferenzen führen Bahnen aus den Eingeweiden zu den lateralen Kernen (laterales Schmerzsystem). Zu den medial gelegenen Thalamuskernen gelangen Informationen aus dem Rückenmark (Tractus spinothalamicus) und über Kerne des Rauten- und Mittelhirns (Tractus spinoreticularis et spinomesencephalicus). Das mediale Schmerzsystem ist für emotionale und vegetative Reaktionen auf Schmerz zuständig. Alle Thalamuskerne stehen unter der Kontrolle des Kortex. Bei der Hypnose findet sich ein Aktivitätsverlust der Hirnrinde, aber nicht des Thalamus. Der Thalamus ist eine Relais-Station für sämtliche Schmerzinformationen auf ihrem Weg zum Kortex. Unter Beteiligung von verschiedenen Neuronenkomplexen (Hinterhorn, Hirnstamm) entscheidet er, welche Impulse den Kortex erreichen und somit bewußt werden. Da unterschiedliche Thalamuskerne an der Schmerzverarbeitung beteiligt sind, führen Läsionen meist nicht zum völligen Schmerzverlust, sondern zu Störungen einzelner Komponenten. Dr. Kaftan (Greifswald) berichtete über die therapieresistente Otalgie, die nicht nur ein HNO-ärztliches Problem darstellt. Otalgie steht dabei für Schmerzen, die zwar in das Ohr projiziert werden, aber oft nicht dort ihren Ursprung haben. Ohrenschmerzen sind vielfältig und betreffen das äußere Ohr mit dem äußeren Gehörgang (Gehörgangsfurunkel, Fremdkörper, Trauma, Hämangiom), das Mittelohr (Otitis media, Paukenerguß, bullöse Myringitis, Mastoiditis, otogene endokraniale Komplikationen, Tumoren, chronische Otitis media) sowie das Innenohr (Tumoren). Schwierig wird die Diagnosestellung besonders dann, wenn die mikroskopische Untersuchung des Ohres keinen Befund ergibt. In diesen Fällen müssen dann weiterführende Techniken (Spiegelung der tiefen Rachenabschnitte in Narkose, CT und MRT, um pathologische Prozesse z. B. in der Tiefe des Felsenbeins zu erkennen) angewandt werden. Andererseits können auch Erkrankungen des Kiefergelenks (z.B. Arthrosis deformans), der Halswirbelsäule oder Neuralgien (z. B. des N. auriculotemporalis) für Schmerzen im Ohr verantwortlich sein.
Prof. Buchmann (Rostock) unterstrich in seinem Vortrag „kraniomandibuläres, kraniozervikales und kraniosakrales System“ , dass die ganzheitheitliche Betrachtungsweise bei vielen Schmerzereignissen des Kopfes nicht außer acht gelassen werden kann. Über das kraniozervikale System (z.T. auch kraniothorakales System), zu dem myofasziale Strukturen wie die vordere Halsfaszie, infrahyale Muskeln, Pars descendens des M. trapezius, M. sternocleidomastoideus zählen, wird der Kopf mit Strukturen des Halses bzw. des oberen Thorax verbunden. Das kraniomandibuläre System ist am kraniozervikalen aufgehängt. Die Unterkieferbeweglichkeit gegenüber dem Schädel gewährleistet Funktionen wie das Halten, Reißen, Mahlen, Schlingen und die Feinmotorik des Sprechens. Alle von diesem System erzeugten Spannungen und Kräfte müssen am kraniozervikalen System abgefangen und neutralisiert werden. Der kraniosakrale Rhythmus bildet eine grundlegende Äußerung menschlichen Lebens. Er geht aus von der Synchondrosis sphenooccipitalis und zieht zum Os sacrum/bzw. Beckenkamm. Störungen dieses Systems können den Lebensrhythmus beeinträchtigen und sich in einem KISS-Syndrom (Kopfgelenk induzierte Symmetrie-Störung) manifestieren. So kann durch Manipulation am Sacrum ein Eingriff am Kopf bzw. an den Kopfgelenken erfolgen. Funktionelle Störungen in den Systemen sind somit nicht nur lokalisiert, sondern in ihrer gesamtsystemischen Bedeutung richtig einzuordnen und zu beeinflussen. Prof. Kessler (Greifswald) referierte über den Clusterkopfschmerz (Bing-Horton-Kopfschmerz) und Sinus cavernosus. Der Clusterkopfschmerz ist ein streng einseitig auftretender seitenkonstanter Kopfschmerz, der in bis zu 8 Attacken täglich (auch aus dem Schlaf heraus) von 30-180 min periorbital , hinter der Orbita bzw. in der Orbita auftreten kann. Männer sind häufiger betroffen als Frauen. Als Auslöser sind häufig Alkohol oder bestimmte Medikamente (z.B. Histamin oder Nitroglycerin) bekannt. Da die Pathophysiologie des Clusterkopfschmerzes weitgehend unverstanden ist, sind gründliche differentialdiagnostische Untersuchungen (CTT, MRT) zum Ausschluß von raumfordernden Prozessen des Sinus cavernosus (Hypophysentumoren, Kavernosusthrombose, Aneurisma der A. carotis interna u.a.) und der Schädelbasis sowie von Nasen und Nasennebenhöhlenprozessen indiziert. Die Therapie besteht während der Attacke in Inhalation von reinem Sauerstoff (1. Wahl) oder der Einnahme von Triptanen, während einfache Analgetika, Carbamazepin, H1-Antagonisten als auch physikalische Therapie keine Wirkung zeigen. Mit oder ohne Therapie bleibt der Clusterkopfschmerz eine lebensbegleitende Funktionsstörung mit Anfallsperioden, die sich in Abständen von Jahren oder Monaten wiederholen. Prof. Fanghänel sprach in seinem Übersichtsvortrag über die anatomischen Grundlagen von Neuralgien im Mund- und Gesichtsbereich. Der Kopf-Halsbereich weist eine große Anzahl von Nozizeptoren auf, die sich in den Hirnhäuten, Periost, Suturen, Bindegewebe, Weichteilen und den Organen befinden. Für die sensible Innervation des Kopfes sind der N. trigeminus (V), N. glossopharyngeus (IV), N. vagus (X), Äste des Plexus cervicalis sowie Spinalnervenäste verantwortlich. Die afferenten Fortsätze der Hirnnerven enden dabei größtenteils an einem Hirnnervenkern (kaudaler Teil des spinalen Trigeminuskerns, Pars caudalis). In diesem werden die Erregungen auf Interneurone (Schaltzellen) oder Strangzellen übertragen, deren afferente Fortsätze Bahnen (Tractus) bilden, die zum Thalamus führen. Im Thalamus erfolgt die Umschaltung auf dritte Neurone, die zu den Rindenzentren (somatosensorischer Kortex des Parietallappens, Gyrus postcentralis, zum präfrontalen Kortex des Frontallappens und zum limbischen System, Gyrus cinguli) ziehen. Aus anatomisch-topographischer Sicht gibt es viele kritische Strukturen, in denen Ursachen für Engpaßsyndrome, Neuralgien bzw. Schädigungen einiger Hirnnerven zu finden sind. Besonders interessant sind hier das Foramen jugulare (als Durchtritt für die Nerven IX, X und XI und die V. jugularis interna), der Sinus cavernosus, durch den die A. carotis interna verläuft (Aneurismen, Variationen im Verlauf) und an dessen dorsolateraler Wand das Ganglion trigeminale angelagert ist. Ebenso kann die okzipitozervikale Übergangsregion (akzessorische Knöchelchen in Atlas/Axis, Spaltbildungen) von großer Bedeutung sein.
Dr. Hintzmann (Berlin) schilderte die möglichen Folgen von Beschleunigungsverletzungen der HWS und Spätfolgen, die seit Jahren kontroverse Diskussionen über Diagnostik, Therapie, Begutachtung sowie juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Beschleunigungsverletzungen der HWS treten häufig bei Verkehrsunfällen auf. Frakturen sind selten, die Verletzungen der Weichteilstrukturen (Muskeln, Faszien, Dura) sind aber direkt diagnostisch schwer zugänglich. Hinweise auf Strukturläsionen (arthromuskuläre Dysfunktionen) sind aber durch manualmedizinische Diagnostik feststellbar. Obwohl die Mehrheit dieser Traumata innerhalb eines halben Jahres heilt, kommt es bei 10 – 30% der Patienten zur Chronifizierung mit unbefriedigendem Verlauf. Bei allen Verletzungen im Bereich der HWS sind folgende Ebenen zu beachten: I. Strukturelle Ebene: Beim HWS-Trauma kommt es zur Überdehnung der Bänder des Kopfes, wobei die Kraft auch in den Schädel übertragen werden kann. Zu beachten ist auch, dass Frakturen oder Spalten erst nach mehreren Tagen sichtbar werden. Die Diagnostik dieser Schädigungen ist sehr umfangreich und beinhaltet traumatologisch/orthopädisch, neurologisch, bildgebende Verfahren, EMG u.a. Die Therapie erfolgt traumatologisch/ orthopädisch/schmerztherapeutisch/physiotherapeutisch.
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