ABSTRACT

 

 

 

 

Faszien, Leitungsbahnen und Engpasssyndrome des Fußes
aus anatomischer Sicht

 

Faszien, Leitungsbahnen und Engpasssyndrome des Fußes
aus anatomischer Sicht

Thomas Koppe
Institut für Anatomie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

 

Der Fuß stellt eine komplizierte Funktionseinheit dar, die in vielen Details der Situation an der Hand entspricht. Im Rahmen des Vortrages werden ausgehend von einem Überblick über die normale Anatomie des Fußes und der Gefäß-Nervenstraßen Möglichkeiten für Kompressionssyndrome am Fuß diskutiert.

 

Vergleichende Anatomie
Die Konstruktion des menschlichen Fußes entspricht einer Anpassung an den aufrechten Gang. Im Gegensatz zu den Menschenaffen weist der menschliche Fuß auch ein Längsgewölbe auf. Damit trägt er nicht nur das Körpergewicht, sondern ermöglicht eine mediale Gewichtsverlagerung beim Gehen. Weitere Besonderheiten betreffen Position und Größe der Zehenstrahlen. Während bei nichtmenschlichen Primaten der 3. Zehenstrahl der längste ist, kommt es beim Menschen zur Verkürzung des 3. Zehenstrahls, so dass die Gesamtlänge der Metatarsalknochens und der Phalangen des ersten und dritten Zehenstrahls beim Menschen etwa gleich lang sind. Da der Fuß bei den meisten Primaten auch als Greiforgan dient, besitzen nichtmenschliche Primaten besitzen auch einen M. opponens hallucis. Beim Menschen ist die Opponierbarkeit des Fußes, eine Vorraussetzung für die Greiffunktion, verlorengegangen. Insofern entspricht die Nichtanlage des M. opponens hallucis beim Menschen vermutlich dem Verlust der Greiffunktion des Fußes (Aiello and Dean, 1990).

 

Muskeln des Fußes

Am Fuß läßt sich aus topographischer Sicht der Fußrücken (Dorsum pedis) von der Fußsohle (Planta pedis) unterscheiden. Schließlich befindet sich am Übergang vom Unterschenkel zum Fuß die laterale und die mediale Knöchelregion (Regio malleolaris medialis et lateralis), welche im Prinzip dem oberen Sprunggelenk entsprechen.

Der Fuß ist über das obere Sprunggelenk mit dem Unterschenkel verbunden. Zur Bewegung des Fußes werden lange (extrinsische) von kurzen (intrinsischen) Muskeln unterschieden. Die langen Fußmuskeln können nach ihrer Funktion (und Lage) in verschiedene Gruppen unterteilt werden. Vielfach erfüllen sie mehre Funktionen. Am Übergang vom Unterschenkel zum Fuß sind diese Muskeln durch Retinakula (siehe unten) gezügelt, wodurch es z.T. zu einer gewissen Umlenkung kommt. Dabei handelt es sich um folgende Muskelgruppen:

Muskeln für die Dorsalflexion

M. tibialis anterior
M. extensor hallucis longus
M. extensor hallucis brevis

Plantarflexion

M. triceps surae

Pronation

M. peroneus (fibularis) longus
M. peroneus (fibularis) brevis

Suppination

M. tibialis anterior

Extension der Zehen

M. extensor hallucis longus
M. extensor digitorum longus

Flexion der Zehen

M. flexor hallucis longus
M. flexor digiturum longus

 

Die kurzen Muskeln des Fußes haben ihren Ursprung und Ansatz am Fuß und erfüllen vor allem Haltefunktionen. Dorsal befindet sich als einziger Muskel der M. extensor digitorum brevis, welcher meist als Abspaltung auch einen M. extensor hallucis brevis aufweist. Er zieht vom Calcaneus zu den Endphalangen der Zehenstrahlen I – IV. Die Muskeln der Fußsohle befinden sich in Muskellogen und sind in vier übereinanderliegenden Schichten angeordnet, in denen auch die Sehnen der langen Flexoren verlaufen. Von plantar nach dorsal handelt es sich um folgende Schichten:

Erste Schicht

M. abductor hallucis
M. abductor digiti minimi
M. flexor digitorum brevis

Zweite Schicht

M. flexor digitorum longus
M. quadratus plantae
Mm. lumbricales

Dritte Schicht

M. flexor digiti minimi brevis
M. flexor hallucis brevis
M. adductor hallucis

Vierte Schicht

M. opponens digiti minimi
Mm. interossii plantares et dorsales

 

Faszien des Fußes

Alle oben genannten Muskeln liegen subfaszial, d.h. unter der Fascia pedis. Letztere wird von einigen epifaszial gelegenen Nerven und Gefäßen durchbrochen. Hier besteht die Möglichkeit von Kompressionssyndromen (z.B. Piza-Katzer und Pilz, 1997). Die Fascia pedis stellt eine Fortsetzung der Unterschenkelfaszie nach distal dar und besteht aus einem oberflächlichen und einem tiefen Blatt (Töndury, 1981). Während sich das oberflächliche Blatt an den Malleolen und den Seitenrändern des Fußes befestigt, ist das tiefe Blatt an den Fußwurzelknochen und dem Kapsel-Band-Apparat angeheftet und bedeckt in der Mittelloge die Mm. interossei. Am Übergang zum Fußrücken sind in der Faszie verstärkte Querfasern angeordnet, welche zwei Retinacula (siehe oben) bilden. Als Fortsetzung des oberen Retinaculums bilden sich sowohl auf der fibularen Seite über den Mm. peronei als auch auf der medialen Seite Retinacula. Von besonderer Bedeutung ist die Bildung der Aponeurosis plantaris, welche plantar dem oberflächlichen Blatt der Fascia pedis entspricht. Es weist longitudinale Verstärkungszüge auf (Fasciculi longitudinales), welche distal in das Ligamentum metatarsale transversum superficiale einstrahlen. Die Fasciculi longitudinali spalten sich schließlich auf und befestigen sich plantar an den Zehengrundgelenken, den Sehnenscheiden sowie am Ligamentum metatarsale transversum profundum.

Die Bildung der oben erwähnten Muskellogen der Planta pedis geht von der Aponeurosis plantaris aus, von der sich sagittale Septen nach dorsal abspalten. Hierbei handelt es sich um die Kleinzehenlogen, die Mittelloge und die Großzehenloge.

 

Gefäß-Nervenstraßen

Regio malleolaris medialis. Subcutan befinden sich hier Äste des N. saphenus (N. femoralis). Außerdem ist hier das venöse Rete malleolare mediale ausgebildet welches zur V. saphena magna drainiert sowie ein entsprechendes arterielles Rete, das durch die Aa. tibiales anteriores et posteriores unterhalten wird. Hier verläuft die Gefäß-Nervenstraße durch den Tarsaltunnel zur Fußsohle. Eine Kompression in diesem Bereich kann zum klinisch wichtigen Bild des Tarsaltunnelsyndroms führen. Die knöcherne Grundlage des Tarsaltunnels wird durch folgende Strukturen gebildet: Malleolus medialis (Tibia), Talus, Tuberositas ossis navicularis, Calcaneus. Die Fascia cruris, welche den Tarsaltunnel subkutan begrenzt teilt sich hier in ein oberflächliches und ein tiefes Blatt. Vom Retinaculum mm. flexorum bilden sich Septen, welche Fächer für die Sehnen der tiefen Beuger des Unterschenkels bilden. Von anterior nach posterior finden hier sich die Sehnen (zusammen mit ihren Sehnenscheiden) der folgenden Muskeln: M. tibialis posterior, M. flexor digitoum longus und M. flexor hallucis longus. Zwischen M. flexor digitorum longus und M. flexor hallucis longus besteht eine Lücke die dem Gefäß-Nervenstrang zur Fußsohle als Durchgang dient. Innerhalb des Verlaufs dieser Sehen kommt es regelmäßig zu Überkreuzungen. Oberhalb des Tarsaltunnels überkreuzt die Sehne des M. flexor digitorum longus die Sehne des M. tibialis posterior und distal des Tarsaltunnels unterkreuzt sie die Sehne des M. flexor hallucis longus.

Bedeckt vom M. adductor hallucis zieht schließlich der Gefäß-Nervenstrang zur Fußsohle. Innerhalb des Tarsaltunnel kommt es bereits zur Teilung des N. tibialis in den N. plantaris medialis et lateralis. Die Teilungsstätte der A. tibialis posterior in die Aa. plantaris medialis et lateralis liegt meist erst im Bereich der Fußsohle nach Eintritt in das mittlere Fach.

Regio malleolaris lateralis. Epifaszial befinden sich hier Äste des N. suralis (N. tibialis) sowie ein venöses Geflecht, welches über die V. saphena parva entsorgt wird. Verstärkt durch das Retinaculum mm. peronei superior et inferior ziehen die Mm. peronei longus et brevis innerhalb von Sehnenscheiden um den Malleolus lateralis zum Fuß. Während der M. peroneus longus um den lateralen Fußrand zur Fußsohle umbiegt, inseriert der M. peroneus brevis an der Tuberositas ossis metatarsalis V.

Regio calcanea. Die Achillessehne ist die formbildende Struktur dieser Regio. Über der Achillessehne setzen sich die beiden Blätter der Fascia cruris fort. Zwischen Achillessehne und den tiefen Flexoren bildet sich ein Fettkörper. Die Fersenregion erhält Rr. calcanei vom N. tibialis und N. suralis. Klinik: Kompression der Nn. calcanei (Louisa and Masquelt, 1999).

Dorsum pedis: Epifaszial befindet sich eine venöses Netzwerk, das medial zur V. saphena magna und lateral zur V. saphena parva drainiert. Die sensible Versorgung entstammt größtenteils dem N. peroneus (fibularis) superficialis, der in unterschiedlicher Höhe die Fascia cruris anterior durchbricht. Von besonderem Interesse ist die Versorgung der Haut im ersten Zehenzwischenraum, die durch den N. peroneus (fibularis) profundus erfolgt. Der N. peroneus profundus ist meist über den R. communicans mit dem R. lateralis des N. cutaneus dorsalis medialis (N. peroneus superficialis) verbunden. Zusammen mit der A. dorsalis pedis, dem Endast der A. tibilais anterior, zieht dieser Nerv zwischen den Sehnen des M. extensor hallucis longus und M. extensor digitorum longus nach distal unterhalb des Retinaculum extensorum. Klinik: Vorderes Tarsaltunnelsyndrom (z.B. Akyuz et al., 2000). In Höhe des 1. Mittelfußknochens besteht häufig eine Anastomose zwischen der A. dorsalis pedis über den R. perforans mit dem Arcus plantaris (siehe unten)

Planta pedis. Abgesehen von den Rändern der Fußsohle, entstammen alle Gefäße und Nerven der Fußsohle dem Gefäß-Nervenstrang des Tarsaltunnels (siehe oben). Im Bereich der Fußsohle bilden sich zwei Gefäß-Nervenstraßen, eine laterale (N. plantaris lateralis, A. plantaris lateralis) und eine mediale (N. plantaris medialis, A. plantaris medialis). Nach ihrem Durchtritt durch den Tarsaltunnel verlaufen die Nn. plantares mediales et laterales sowie die A. tibialis posterior mit den Begleitvenen zunächst gemeinsam bedeckt vom M. abductor hallucis zur Fußsohle und bilden unter dem M. flexor digitorum brevis der Fußsohle eine mediale und eine laterale Gefäß-Nervenstraße.

Die mediale Gefäß-Nervenstraße enthält die A. plantaris medialis, Begleitvenen und den N. plantaris medialis. Letzterer entspricht hinsichtlich seiner Versorgungsgebiete im Prinzip dem N. medianus der Hand. Der Gefäß-Nervenstrang verläuft zunächst in der mittleren Muskelkammer. In Höhe des Metatarsus gibt er Rami musculares ab, welche zu den kurzen Muskeln sowie zur Articulatio metatarsophalangea I ziehen. Direkt unter der Plantaraponeurose werden allerdings zunächst seine Nn. digitales plantares communes sichtbar, welche über einen R. communicans meist mit den Nn. digitales plantares communes des N. plantaris verbunden sind. Klinik: Morton-Neuralgie syn. Metatarsalgie.

Der laterale Gefäß-Nervenstrang setzt sich aus dem N. plantaris lateralis und der A. plantaris lateralis mit Begleitvenen zusammen. Während der M. flexor digitorum brevis der Abpolsterung des Nerven gegen die Plantaraponeurose dient, soll der M. quadratus plantae ihn gegen das Ligamentum plantare longum sichern (Lang und Wachsmuth, 1972). Der Verlauf des N. plantaris lateralis unter der Ferse kann dennoch Anlaß für eine mit Schmerzen verbundene Kompression des Nerven sein (Oztuna et al., 2002). Der Nerven-ast zur Versorgung des M. abductor digiti minimi soll sich frühzeitig vom N. plantaris abspalten und dicht an der medialen Fläche des Calcaneus entlang nach vorne verlaufen. Klinik: Kompression des entsprechenden Astes des N. plantaris lateralis (del Sol et al. 2002). Innerhalb der mittleren Muskelloge verläuft das Gefäß-Nervenbündel eng am Septum plantare laterale nach vorn. In Höhe des Os cuboideum kommt es zur Teilung des N. plantaris lateralis in oberflächliche und einen tiefe Äste. Während die Rr. superficiales die Muskeln der Kleinzehenloge und die Haut versorgen, begleiten die Rr. profundi den R. profundus der A. plataris lateralis in die Tiefe. Letzter bildet zwischen den Mm. interossii und Caput obliqum des M. adductor hallucis den Arcus plantaris.

 

Literatur

  1. Aiello A, Dean C (1990) An Introduction to Human Evolutionary Anatomy. Academic Press, London
  2. Akyuz G, Us O, Turan B, Kayahan O, Canbulat N, Yilmar IT (2000) Electromyogr Clin Neurophysiol 40: 123-128
  3. Fanghänel J, Pera F, Anderhuber F, Nitsch R (2003) Waldeyer –Anatomie des Menschen. 17. Auflage. W. de Gruyter, Berlin
  4. Lang J, Wachsmuth W (1972) Bein und Statik. 2. Auflage. Springer, Berlin
  5. Louisa S, Masquelet AC (1999) The medial and inferior calcaneal nerves: an anatomic study. Surg Radiol Anat 21: 169-173
  6. Oztuna V, Ozge A, Eskandari MM, Colak M, Golpinar A, Kuyurtar F (2002) Nerve entrapment in painful heel syndrome. Foot Ankle Int 23: 208-211
  7. Piza-Katzer H, Pilz E (1997) Compression syndrome of the superficial fibular nerve. Case report. Handchir Mikrochir Plat Chir 29: 124-126
  8. Sol del M. Olave E, Gabrielli C, Mandiola E, Prates JC (2002) Innervation of the abductor digiti mini muscle of the human foot: anatomical basis of the entrapment of the abductor digiti minimi nerve. Surg Radiol Anat 24: 18-22
  9. Töndury G (1981) Angewandte und topographische Anatomie. 5. Auflage. G. Thieme, Stuttgart