Die extrazelluläre Matrix - nur langweiliges Bindegewebe oder multifunktionelle Substanz?

Jörgen Giebel
Institut för Anatomie, Ernst-Moritz-Arndt-Universitöt Greifswald

 

Aus anatomischer Sicht besteht das Bindegewebe aus drei Komponenten:
- Zellen
- faserigen Bestandteilen
- und amorpher (ungeformter) Grundsubstanz

Es werden ortsständige Zellen (Fibrozyten und Fibroblasten) sowie freie Zellen wie Granulozyten, Makrophagen, Lymphozyten und Mastzellen, die nach Bedarf in das Gewebe einwandern können, unterschieden. Zu den faserigen Anteilen zählen Kollagen, Elastin und Retikulinfasern. Die ungeformte Grundsubstanz besteht im wesentlichen aus Zuckerderivaten wie Glycosaminoglycanen und Verbindungen aus diesen Zuckerderivaten und Proteinen, den sog. Proteoglycanen.

Während die Aufgabe der Zellen sowohl im Aufbau und Erhalt des Bindegewebes als auch in der immunologischen Abwehr liegt und die faserigen Bestandteile vor allem mechanische Funktionen übernehmen, wurde die Bedeutung der amorphen Grundsubstanz lange unterschätzt. So galten Kohlenhydrate bis ca. 1960 als langweilige inerte Füllstoffe, die für den Proteinchemiker eher den Charakter von Verunreinigungen hatten weil sie die Isolierung von Proteinen (die vermeintlich interessanteren Substanzen) extrem erschwerten. Inzwischen weiß man jedoch, daß die meisten Proteine vielfältige Kohlenhydratketten besitzen und dadurch zu den Glycoproteinen zählen und verschiedenste Funktionen ausüben.

Proteoglycane sind meistens kovalente Verbindungen aus Proteinen und disaccharidischen Zuckerketten (Glycosaminoglycanen) bei denen der Zuckeranteil überwiegt. Im elektronenmikroskopischen Bild ähneln diese Proteoglycane einer Flaschenbürste. Die Borsten dieser Bürste bestehen z.B. aus Hyaluronsäure oder Chondroitin-4-sulfat. Die Funktion der Proteoglycane beruht besonders auf der negativen Ladung der Glycosamoninoglycane und damit ihrer Wirkung als Polyanion. Die Polyanionen können Kationen (K+, Na+, Ca++, H+) und Wasser binden. Die stark hydratisierten Glycosaminoglycane finden sich als sog. Interzellularsubstanz und sie vermitteln die Festigkeit/Elastizität von Geweben. Außerdem sind sie für die besonderen Eigenschaften des hyalinen Knorpels verantwortlich.

Aus diesen biochemischen Charakteristika ergibt sich, daß die amorphe Grundsubstanz an der Regulation des Wasserhaushaltes, des Säure-Basenhaushaltes und dadurch auch an der Aufrechterhaltung der Homöostase entscheidend beteiligt ist.

Darüber hinaus wurde nachgewiesen, daß Glycosaminoglycane weitere wichtige Funktionen ausüben. So können sie bestimmte Wachstumsfaktoren (basischer Fibroblasten Wachstumsfaktor, bFGF) binden. Außerdem erleichtern sie die Zellwanderung während der Entwicklung von Geweben oder Organen und sie spielen eine entscheidende Rolle bei der Wundheilung.