Rheumatischer Formenkreis - gibt es ein morphologisches Korrelat?

Jürgen Giebel, Institut für Anatomie, Emst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

 

Rheuma oder Rheumatismus sind Synonyme, die weltweit für viele Beschwerden oder Schmerzen am Stütz- und Bewegungsapparat verwandt werden. Für die klinische Praxis lassen sich die Krankheiten des rheumatoiden Formenkreises in fünf Gruppen einteilen:

  1. Entzündliche rheumatische Erkrankungen z.B. chronische Polyarthritis, juvenile chronische Arthritis, Spondarthritiden, Lyme-Borreliose, Systemischer Lupus erythematodes, Kristallarthritiden etc...
  2. Degenerative Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen wie Arthrosen, Chondrosen, Spondylosen, etc...
  3. Weichteil oder nichtartikulärer Rheumatismus wie Myalgien, Fibromyalgie, Panniculitis, Tendopathien etc..
  4. Metabolische Knochenerkrankungen (Osteo- porose, Osteomalazie)
  5. Erkrankungen, deren Symptome denen der rheumatischen Krankheiten ähnlich sind z.B. Bluterkrankungen wie Leukämien, Hämophilien, virale Arthritiden (Mumps, Röteln, Varizella-Zoster) oder arzneimittelinduzierte Erkrankungen.

 

Aus dieser Vielzahl von Erkrankungen wird besonders auf die rheumatoide Arthritis und myofasziale Erkrankungen eingegangen. Die rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronische systemische Erkrankung noch immer un- geklärter Ätiologie. Morphologisch sind die Gelenke durch entzündliche Veränderungen, synoviale Hyperplasien sowie Destruktion des angrenzenden Knorpel- und Knochengerüstes charakterisiert. Zur Pathogenese der RA bestehen zwei gängige Hypothesen.

  1. Eine wichtige Rolle wird den aggressiv wachsenden, matrixabbauenden Fibroblasten zugeschrieben, die aus Synovialfibroblasten hervorgegangen sind. Mit ihrer Aktivierung verändert sich die Expression von Molekülen die den programmierten Zelltod (Apoptose) entweder induzieren (CD 95) oder hemmen (Sentrin). Das Resultat dieser Veränderung bei RA ist eine erhöhte Lebensdauer von Synovialzellen (begleitet von einer Überexpression des anti-apoptotischen Bcl-2 Proteins) und somit ein höheres pathologisches Potenzial. Von diesen Zellen wird außerdem das Protoonkogenen RAS exprimiert, was ihre Aggressivität bewirken könnte. Als Mediatoren der beschriebenen Veränderungen kommen proinflammatorische Zytokine (11-1, 11-6, TNF a., Interferon a.) in Betracht. Hemmende Zytokine (11-2 und 11-4 sowie Interferon y) dagegen können nur in geringen Mengen nachgewiesen werden.
  2. Im zweiten Konzept steht die T -Zelle und die molekulare Mimikry im Mittelpunkt. Den CD4-positiven Zellen, die in großer Zahl im rheumatoiden Synovium vorhanden sind, soll einbislang unbekanntes Antigen präsentiert und somit eine spezifische MHC Klasse II restringierte Immunantwort ausgelöst werden. Bei der intraartikulär ablaufenden Immunantwort werden außerdem häufig Antikörper gegen Kollagen Typ II bei HLA-DR4 - positiven Patienten gefunden.

Unabhängig, ob es sich bei der RA um ein Geschehen mit zentraler Rolle der T -Zellen oder um eine Veränderung der synovialen Fibroblasten handelt, wird die Schädigung im Wesentlichen durch aktivierte matrixabbauende Enzyme (Kollagenasen/ Proteinasen) bewirkt, die vornehmlich durch Il-1 aktiviert werden.

 

Der Begriff Weichteilrheumatismus umschreibt eine Vielzahl von Erkrankungen, bei denen Schmerzen besonders in den Muskeln im Vordergrund stehen. Man unterscheidet spezielle Myalgien oder generalisierte Verlaufsformen wie die Fibromyalgie.

Myalgien sind u.a. durch Triggerpunkte (TP) charakterisiert, die sich an bestimmten Stellen des Muskels finden. TP finden sich nur an erkrankten Muskeln oder Faszien und sind dort Orte erhöhter Reizbarkeit. Auf Druck sind TP schmerzhaft und können Übertragungsschmerz sowie autonome Phänomene hervorrufen. Während aktive TP Schmerzen verursachen, sind latente Triggerpunkte klinisch stumm, können aber eine Bewegungseinschränkung und Schwäche der betroffenen Muskeln nach sich ziehen. Der von TP übertragene Schmerz folgt keinem einfachen Segmentmuster. Einzelne Muskeln können einen oder mehrere TP entwickeln. Myofaszialer Schmerz tritt häufig, aber nicht immer innerhalb desselben Dermatoms, Myotoms oder Sklerotoms auf. TP entwickeln sich besonders bei Frauen mittleren Alters, die eine sitzende Tätigkeit ausüben. TP gehen keiner besonderen Struktur des Muskels nach, sind individuell verschieden, stimmen aber in vielen Fällen (71%) mit Akupunkturpunkten überein. Obwohl TP in fast allen Muskeln auftreten können, sind Kau-, Nacken-, Schulter- und Beckenmuskeln sehr häufig betroffen.