Schmerztherapie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen

M. Keysser, M. Bernateck

 

Schmerztherapie bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist in jedem Fall eine Komplextherapie. Diese muss auf einem individuellen Behandlungsplan basieren, der unter verschiedenen Gesichtspunkten konzipiert werden sollte:

 

Im Mittelpunkt der Komplextherapie steht die medikamentöse Behandlung:

  1. Basistherapeutika (disease modifying antirheumatic drugs, DMARD's). "Goldstandard" ist Methotrexat (MTX). Die parenterale Gabe wird heutzutage wegen unsicherer Resorptionsbedingungen bei oraler Verordnung bevorzugt. Durchschnittliche Dosierung 15 mg einmal wöchentlich. Die adjuvante Verordnung von Folsäure oder Fotinsäure reduziert nur unwesentlich die Wirksamkeit von MTX, dafür aber sehr signifikant dessen unerwünschte Arzneimittelwirkungen.

    Seit Ende 1999 ist mit Aravaâ (Leflunomid) ein neues Basistherapeutikum verügbar .Es hemmt die Dihydroorotat-Dehydrogenase, ein Schlüsselenzym der Pyrimidin-Synthese. Dadurch wird die Aktivierung von T-Lymphozyten, die in der Pathogenese chronischer entzündlich-rheumatischer Erkrankungen eine Schlüsselrolle spielt, stark gehemmt- Hervorzuheben sind bei diesem Präparat eine sehr schnell einsetzende Wirkung und ein günstiges Nebenwirkungsprofil Die Substanz ist bisher für die Rheumatoid-Arthritis zugelassen; es laufen Studien bei Psoriasis-Arthritis und Vasculitiden.

    Weiterhin kommen als DMARD's Azathioprin, Sulfasalazin, Goldsalze, Ciclosporin, Antimalariamittel (Chlorochin, Resochin), D-Penicillamin (heute selten) und, bei speziellen Indikationen, auch Cyclophosphamid zur Anwendung (z.B. Kollagenosen im akuten Schub, Vasculitiden). Bis zu Beginn der 90er Jahre war eine alternierende Monotherapie mit DMARD's üblich. Seitdem geht der Trend eindeutig zu Zweifach- und Dreifachkombinationen, wenn durch eine initiale Monotherapie keine vollständige Remission des Krankheitsbildes erreicht werden kann. Alle Formen einer Basistherapie bedürfen einer engmaschigen und sachgerechten Kontrolle (Klinik, Labordaten).
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  3. Die Grundlagenforschung hat im letzten Jahrzehnt zu detaillierten Kenntnissen über die Pathogenese entzündlich-rheumatischer Erkrankungen geführt. Darauf aufbauend konnten neue Wirkstoffe entwickelt werden. Monoklonale Antikörper gegen proinflammatorische Zytokine greifen gezielt in bestimmte pathogenetische Mechanismen ein. Bisher sind Remicadeâ (lnfliximab) und Enbrelâ (Etanercept) zum Einsatz bei schweren therapierefraktären Fällen von Rheumatoid- Arthritis zugelassen.

    Beide Substanzen richten sich gegen Tumornekrosefaktor Alpha. Monoklonale Antikörper gegen Interleukin-1 bzw. Interleukin-1-Rezeptor sind in der klinischen Erprobung. Mit weiteren "Biologicals" ist in naher Zukunft zu rechnen.
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  5. Corticosteroide (CS)

    CS werden in der Rheumatologie breit eingesetzt, entweder als hochdosierte "Pulstherapie" in Akutsituationen oder als "low-dose" Therapie zur Dauerbehandlung. Neuere Erkenntnisse, dass schon kleinste CS-Dosen effektiv sein können, haben zu einer Renaissance der CS-Behandlung geführt, weil auf diese Art die Probleme der Nebennierenrinden-Suppression umgangen und die Gefahren einer CS-Osteoporose vermindert werden.

    Bei höher dosierter Langzeittherapie mit CS wird heute eine Osteoporose-Prophylaxe (zumindest mit Calcium und Vitamin D 3) dringlich empfohlen.
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  7. Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR)

    Wirkprinzip dieser Stoffklasse ist die Hemmung der Cyclooxygenase (COX) und der durch sie katalysierten proinflammatorischen Prostaglandine. Bisheriges Problem war die gleichzeitige (und unerwünschte) Hemmung der gastroprotektiven Prostaglandine. Dadurch kommt es bei den nichtselektiven COX-Hemmem (ASS, Indometazin, Ibuprofen, Diclofenac, Oxicame u.a.m) in einem hohen Prozentsatz zu schwerwiegenden gastrointestinalen Komplikationen (1997 in den USA über 16.000 Todesfälle !). Besonders gefährdet sind alte Menschen, Patienten mit Ulcusanamnese und solche mit Co-Medikation von CS oder Falithrom.

    Seit der Entdeckung von 2 Iso-Enzymen der COX (COX-1 und COX-2), wobei COX-1 für die physiologischen Wirkungen, COX-2 für die proinflammatorischen Prostaglandine "zuständig" ist, hat die pharmakologische Forschung selektive COX-2-Hemmer entwickelt.

    Auf dem Markt sind zur Zeit Vioxxâ (Rofecoxib) und Celebrexâ (Celecoxib) -weitere Präparate werden folgen. Durch diese Medikamente werden die gastrointestinalen Probleme auf Placebo-Niveau reduziert.

 

Die medikamentöse Therapie sollte von weiteren Behandlungsmaßnahmen flankiert werden (Physiotherapie, Ergotherapie, Rheumachirurgie, Radiosynoviorthesen, Psychotherapie).

Wenn durch die genannten Therapieformen keine schnelle Schmerzbefreiung gelingt, kommen (in den letzten Jahren zunehmend) Analgetika nach dem WHO-Stufenschema zum Einsatz.

 

Anschrift der Verfasser:

Klinikum Südstadt Rostock
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