Das Problem: Epicondylopathia radialis et ulnaris aus morphologischer Sicht

Th. Koppe
Institut für Anatomie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

 

Der vorliegende Beitrag stellt die Ellenbogenregion aus klinisch anatomischer Sicht vor und gibt einen Überblick über klinisch wichtige Variation dieser Region. Die Ellenbogenregion läßt sich topographisch in eine Regio cubiti anterior und eine Regio cubiti posterior einteilen. Die vordere Ellenbogenregion wird durch drei Muskelwülste geprägt: einen mittleren, einen medialen und sowie einen lateralen. Während der mediale Wulst den gemeinsamen Muskelkopf aller Beuger enthält, die am Epicondylus medialis entspringen, befindet sich lateral die Streckergruppe des Unterarms, die proximal bis zum Epicondylus lateralis reicht. Der mittlere Muskelbauch enthält schließlich den M. biceps und den M. brachialis. Auf der Beugeseite sind die knöchernen Strukturen stark von Muskulatur bedeckt, so daß eine Palpation von vorn nur schwer gelingt. Im Gegensatz dazu sind die Epikondylen sowie das Radiusköpfchen und der Gelenkspalt zwischen Humerus und Radius von hinten leicht zu tasten.

In der von lockerem Bindegewebe ausgefüllten Fossa cubitalis befinden sich Nerven und Gefäße. Medial der Sehne des M. biceps verläuft der N. medianus sowie die A. brachialis. Letztere teilt sich in Höhe des Proc. coracoideus der Ulna in die A. radialis sowie in die A. ulnaris. Lateral der Bizepssehne zieht der N. radialis zu den Muskeln, welche am Epicondylus lateralis entspringen. Die Muskeln, welche am Epicondylus lateralis entspringen sind von Faszien umschieden. Sie befinden sich in gesonderten Räumen, welche von der eigentlichen Fossa cubitalis deutlich durch feine Faszienblätter abgegrenzt sind.

In der hinteren Ellenbogenregion ist die Haut, insbesondere über dem Epicondylus lateralis leicht eingesunken. Bei maximaler Streckung werden beidseits der Ansatzsehne des M. trizeps brachii Furchen sichtbar. In der medial gelegenen Furche verläuft der N. ulnaris; er liegt dem Epicondylus medialis von dorsal her direkt an und zieht distal zwischen die Köpfe des M. flexor carpi ulnaris.

Variationen der Ellenbogenregion sind vielfach beschrieben worden. Sie betreffen eher Muskeln und Nerven als die Skelettelemente der Ellenbogenregion. Abgesehen von einem vollständigen Fehlen von Radius und Ulna, sind zusätzliche Sesambeine beschrieben worden, welche in der Bizepssehne in der Region der Tuberositas radii als auch in der Sehne des M. triceps brachii proximal des Olecranon auftreten können. Im Gegensatz dazu sind Variationen der muskulären Strukturen nicht selten. Insbesondere der M. biceps brachii kann über zusätzliche Muskelfasern oder Sehnenzüge mit dem Humerus, der Ulna, dem Radius und der Fascia antebrachii verbunden sein. Außerdem können zusätzliche Muskelbäuche ausgebildet sein, die den M. biceps brachii mit Nachbarmuskeln verbinden. Eine Ausdehnung des Ursprungsareals des M. pronator teres nach proximal kann von praktischer Bedeutung sein. Der Ursprung des Pronator teres kann hier bis zum Proc. supracondylaris reichen bzw. über ein zusätzliches Band bis zum Epicondylus medialis. In einem solchen Fall kann die A. brachialis ebenfalls einen veränderten Verlauf aufweisen.

Nachfolgend seien einige Variationen der Nervenverläufe genannt. Anastomosen zwischen N. medianus und N. ulnaris treten vergleichsweise häufig auf. In der Ellenbogenregion muß der N. medianus nicht zwischen den beiden Köpfen des Pronator teres verlaufen. Ein oberflächlicher Verlauf ist genauso möglich wie ein Verlauf unter dem Pronator teres. Außerdem kann der Nerv auch den humeralen Kopf des Pronator teres durchbohren. Der N. ulnaris weist zahlreiche Variationen auf, die sowohl Ursprung, Verlauf als auch seine Aufzweigungen betreffen. In der Ellenbogenregion kann der N. ulnaris sowohl vor als auch hinter dem Epicondylus medialis verlaufen. Abgesehen von Anastomosen mit dem N. medianus sind auch solche mit dem N. radialis möglich.

Regio cubitalis anterior (links, Ansicht von ulnar lateral)

 

 

Regio cubitalis anterior (links, Ansicht von lateral radial)