Foramen jugulare - anatomische Nachbarschaftsbeziehungen, Irritation und Klinik

Th. Koppe
Institut für Anatomie, Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

Das Foramen jugulare ist eine Öffnung in der Fossa cranii posterior, die den Hirnnerven IX, X, und XI sowie verschiedenen Gefäßen, insbesondere Sinus durae matris, zum Durchtritt dient. Letztere münden in die Vena jugularis interna, welche in der Fossa jugularis zum Bulbus superior v. jugularis internae erweitert ist. Die engen Nachbarschaftsbeziehungen der Strukturen im Bereich des Foramen jugulare erklären, warum nicht nur Tumoren wie Neurinome, Meningiome, Paragangliome und metastasierende Karzinome des Nasophayrnx sondern auch Pathologien auf nichttumuraler Grundlage wie Asymmetrien mit außerordentlich vielfältigen Symptomen einhergehen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Foramina der Schädelbasis entsteht das Foramen jugulare im Grenzbereich benachbarter Knochen der Schädelbasis. Das Foramen jugulare stellt eine spitzwinklig-dreieckige bis länglich-ovale Öffnung dar (Weigel-Künzel, 1982) und befindet sich zwischen dem Hinterrand der Pars petrosa des Schläfenbeins und der Incisura jugularis des Os occipitale. Es erstreckt sich von anterior medial als Fortsetzung der Fissura petrooccipitalis (entwicklungsgeschichtlicher Rest der Synchondrosis petrooccipitalis) nach posterior lateral bis zum Beginn der Sutura occipitomastoidea. Die Längsachse des Foramen jugulare verläuft nicht horizontal sondern leicht nach anterior medial ansteigend. Benannt nach der V. jugularis interna erhält das Foramen jugulare weitere Zuflüsse: (a) von anterior medial führt der Sinus petrosus inferior zum Foramen und (b) von posterior lateral führt der Sinus sigmoideus zum Foramen jugulare. Beide Sinus hinterlassen am Boden entsprechende Sulci, welche dem Verlauf der oben beschriebenen Knochenfugen weitgehend entsprechen.

Zahlreiche Untersuchungen belegen, daß das rechte Foramen jugulare meist größer ist als das linke. Die Größe des Foramen jugulare wird außerdem von Alter und Geschlecht aber auch von genetischen Faktoren beeinflußt. So sollen bestimmte afrikanische Populationen größere Foramina aufweisen als europäische Populationen (Navsa and Kramer, 1998). Unter bestimmten Bedingungen können Größenvariationen des Foramen jugulare die Ausbildung von Erkrankungen begünstigen. So berichten Hayashi et al. (2000) über einen Patienten mit akuter kranialer Polyneuropathie wobei einseitig die Hirnnerven IX, X und XI involviert waren. Die Autoren vermuten, daß die einseitige Hypoplasie des Foramen jugulare ein Entrapment der beteiligten Hirnnerven mit begünstigt hat.

Das Foramen jugulare kann durch Knochenfortsätze die sowohl vom Os occipitale als auch von der Pars petrosa entstammen teilweise oder vollständig geteilt werden. Ein relativ häufig vorkommender Knochenfortsatz ist der Processus intrajugularis der Pars petrosa. Mitunter kommt es durch das Auftreten von Knochenbrücken zu einer vollständigen Teilung des Foramen jugulare in einen medialen und einen lateralen Bereich. Während im medialen Bereich Nerven und kleinere Venen liegen, befindet sich im lateralen Bereich zumeist die V. jugularis interna. Entsprechend der Topographie der Gefäße und Nerven unterteilen verschiedene Autoren (Katsuta et al.,1997) das Foramen jugulare in 3 Kompartments: 2 venöse Kompartments und eineneurales bzw. intrajugulares Kompartment.

Venöse Kompartments Sie bestehen aus einem größeren posterior lateralen Teil, der seinen Zufluß aus dem Sinus sigmoideus erhält und einem kleineren anterior medialen Kompartment. Hier mündet der Sinus petrosus inferior. Letzterer erhält Zuflüsse von Venengeflechten des Canalis n. hypoglossi, Canalis condylaris sowie dem Wirbelkanal. Der Sinus petrosus inferior tritt in das Foramen jugulare in unterschiedlicher Lage zu den Hirnnerven IX und X ein und mündet schließlich an der medialen Wand des Bulbus superior v. jugularis internae (Unterseite der Schädelbais) im Bereich des sigmoidalen Venenkompartments. In seltenen Fällen kann der Sinus petrosus inferior auch durch ein zusätzliches Foramen am Boden des Sulcus sinus petrosi inferioris die hinteren Schädelgrube verlassen (Lang, 2001).

Am Eintritt des Sinus sigmoideus befindet sich häufig eine Knochenleiste, Margo terminalis sigmoidea, die von einer Durafalte überlagert wird (Weigel-Künzel, 1982). Der Bulbus superior v. jugularis internae, welcher in der Fossa jugularis unterhalb der Schädelbasis liegt, überragt den Margo terminalis sigmoidea um ca. 8mm (Weigel-Künzel, 1982). Nach Solter und Paljan (1973) soll sich der Bulbus erst postnatal auf Grund hämodynamischer Verhältnisse herausbilden. Je nach Tiefe der Fossa jugularis kann die untere Wand des Cavum tympani außerordentlich dünn sein. Die Fossa jugularis ist zumeist von einer straff gespannten Dura verschlossen.

Neurales / intrajugulares Kompartment Im neuralen oder intrajugularen Kompartment befinden sich N. glossopharyngeus, N. vagus und N. accessorius. Sie liegen zumeist medial vom Processus intrajugularis. Ein Nervenseptum trennt zumeist die Hirnnerven IX, X und IX von der lateral gelegenen V. jugularis interna Diese Nervenseptum liegt entweder medial des Processus intrajugularis oder in dessen Forsetzung. Eine trichterförmig ausgestülpte Duratasche begleitet die Hirnnerven IX, X und XI durch die Schädelbasis. Sie liegt zumeist medial vom Processus intrajugularis. Im neuralen Kompartment liegt der N. glossopharyngeus meist superior, anterior und medial und hinterläßt häufig eine Furche am Foramen jugulare.

Der vorliegende Beitrag stellt sich die Aufgabe die Region des Foramen jugulare aus klinisch-anatomischer Sicht darzustellen. Anatomische Variationen, Duraverhältnisse sowie die Nachbarschaftsbeziehungen des Foramen werden dabei besondere Beachtung finden.

 

Literatur Hayashi T, Murayama S, Sakurai M, Kanazawa I (2000) Jugular foramen syndrom caused by varicella zoster virus infection in a patient with ipsilateral hypoplqasia of teh jugular foramen. J Neurol Sci 172: 70-72.

Katsuta T, Rhoton AL, Matsushima T (1997) The jugular foramen: microsurgical anatomy and operative approches. Neurosurgery 41: 149-201.

Navsa N, Kramer B (1998) A quantitative assessment of the jugular foramen. Anat Anz 180: 269-273.

Solter M, Paljan D (1973) Variations in shape and dimensions of sigmoid groove, venous portion of jugular foramen, jugular fossa, condylar and moastoid foramina classified by age, sex and body size. Z. Anat. Entwickl. Gesch. 140: 319-335.

Weigel-Künzel M (1982) Über die Topographie von Nerven und Gefäßen am Foramen jugulare. Med. Diss., Univ.-Würzburg.

Lang J (2001) Skull base and related structures. 2nd. Ed. Schattauer, Stuttgart.

 

Foramen jugulare

 

Maße der hinteren Schädelgrube

 

Rechtes Foramen jugulare