Kopfschmerz = Kopfschmerz ?

PD Dr. J. Machetanz
Neurologische Klinik; Heinrich Braun Krankenhaus, Zwickau

 

Die Schwierigkeit in der Diagnostik von Kopfschmerzen (KS) besteht darin, dass diese ein außerordentlich unspezifisches Symptom darstellen. 54 Millionen Deutsche leiden an "harmlosen" Kopfschmerzen und empfinden sie dementsprechend wie eine mehr oder weniger massiv ausgeprägte Befindlichkeitsstörung. Andererseits können jedoch Kopfschmerzen auch bei einer Reihe von akut lebensbedrohlichen Erkrankungen das erste und einzige Symptom sein. Wird ein solcher "gefährlicher" Kopfschmerz fälschlicherweise als "harmloser" Kopfschmerz verkannt, können katastrophale Folgen resultieren. Die Unterscheidung "harmloser" von "gefährlichen" Kopfschmerzen ist Aufgabe des Allgemeinarztes und in Zweifelsfällen des Akutneurologen. Klinisch muss immer dann an einen gefährlichen Kopfschmerz gedacht werden, wenn ein Kopfschmerz erstmalig auftritt, der sich in Charakter und/oder Stärke signifikant von eventuell beim Patient bereits vorher aufgetretenen Kopfschmerzen unterscheidet. Auch wenn der Kopfschmerz mit neurologischen Ausfallssymptomen einhergeht, muß an einen gefährlichen Kopfschmerz gedacht werden. Die wichtigsten Differentialdiagnosen akut gefährlicher Kopfschmerzen sind Meningitiden, Hirntumoren, intrakranielle Blutungen, Sinusvenenthrombosen, Hirninfarkte und Liquoraufstau. Die Hauptdiagnostikverfahren sind CCT, Kernspintomographie und Liquoranalysen. Es gibt aber auch noch eine Reihe anderer Krankheiten mit akutem Handlungsbedarf (wie z.B. Sinusitis oder Glaukomanfall), die einer zügigen Diagnostik und Therapie bedürfen.

Während in der Akutsituation der Ausschluss eines gefährlichen Kopfschmerzes vordringlich ist, bleibt es auch bei chronischen Fällen erforderlich, den Schmerz klassifikatorisch einzuorden und diagnostisch aufzuarbeiten. Deskriptive Begriffe wie "Cephalgie" sind dabei nicht hilfreich. Allgemeiner Standard für die Kopfschmerzklassifikation ist die Einteilung der International Headache Society (IHS), die in ihrer ursprünglichen Form 1988 festgelegt wurde. Die Formulierung einer klaren diagnostischen (zumindest Arbeits-) Hypothese ist für jeden Patienten wichtig, weil die Differentialtherapie des Kopfschmerzes für etliche Diagnosen jeweils spezifisch ist. Die diagnostische Festlegung zwingt dabei den Behandelnden, eine evaluierte Behandlungsstrategie einzuschlagen. Nur mit einer klaren diagnostischen Vorstellung hat er die Handhabe, eine Diagnose auch als falsch zu erkennen und zu korrigieren.

Die Klassifikation der International Headache Society (IHS) unterteilt in die Grundmechanismen primär vs. sekundär (=symptomatisch) . In die Gruppe der primären Kopfschmerzsyndrome fallen die 4 Gruppen Migräne, Spannungskopfschmerz, Clusterkopfschmerz und Verschiedene; in die Gruppe der sekundären Kopfschmerzsyndrome fallen KS nach Schädeltrauma, KS bei Gefäßstörungen, KS nicht vaskulärer Genese, KS durch Substanzgebrauch/Entzug, KS bei Infektion außerhalb des Kopfbereiches, KS bei Stoffwechselstörung, KS bei sonstigen Erkrankungen im Kopfbereich, Kopf- und Gesichtsneuralgien. Als letzte Kategorie bleibt der nicht klassifizierbare Kopfschmerz.

Die Frage, ob Kopfschmerz = Kopfschmerz ist, kann also leicht verneint werden. Die Probleme liegen eher in den Fragen: wieviel diagnostische Sicherheit muß in der Akutabklärung von Kopfschmerzen gefordert werden ? und wie behandelt man Patienten mit chronischen Kopfschmerzen, die mit Standardtherapien nicht ausreichend gebessert sind ?