Die Therapie des Karpaltunnelsyndroms

H. W. S. Schroeder und M. R. Gaab
Neurochirurgische Klinik und Poliklinik der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

 

Beim beginnenden Karpaltunnelsyndrom (KTS) mit typischer Brachialgia paraesthetica nocturna ohne permanente neurologische Defizite folgen wir zunächst einer konservativen Therapie mit Schienung des Handgelenkes während der Nacht. Bei Beschwerderesistenz oder -progredienz sowie bei permanenten neurologischen Defiziten ist die chirurgische Spaltung des Retinaculum flexorum (Lig. carpi transversum) indiziert. Behandlungsversuche mit Vitamin B6-Gabe, Steroidinjektionen in den Karpaltunnel oder Histamin-Iontophorese führen meist nur zu einer vorübergehenden Beschwerdelinderung, so dass der primären chirurgischen Durchtrennung des Karpalbandes der Vorzug zugeben ist.

Die erste offene Spaltung des Lig. carpi transversum wurde bereits 1933 durch James R. Learmonth durchgeführt. Die offene Operation entwickelte sich zum Standardverfahren beim KTS. Trotz der sehr guten Erfolgsrate von ca. 98% in Bezug auf die Rückbildung der neurologischen Beschwerden klagten einige Pat. über persistierende Schmerzen im Bereich der Narbe. 1989 wurde durch Chow die endoskopische Karpaltunneloperation eingeführt, die derzeit in den verschiedensten Modifikationen (1- und 2-Portal-Techniken) durchgeführt wird. Durch die endoskopische Technik werden Inzisionen im druckbelasteten Handwurzelbereich vermieden.

 

Technik der endoskopischen Karpaltunneloperation

Wir führen die endoskopische Spaltung des Karpalbandes in 2-Portal-Technik modifiziert nach Chow durch. Die Operation erfolgt ambulant in Lokalanästhesie ohne Anlage einer Blutleere. Der Eintrittsport befindet sich in der proximalen Handgelenksfalte (Restricta) ulnar der Palmaris-longus-Sehne. Der Austrittsport liegt ca. 4-5 cm distal der distalen Handgelenksfalte (Rascetta) in Richtung auf die Basis des Ringfingers (Abb. 1). Während der Operation wird die Hand im Handgelenk extendiert, um die Sehnen und den Medianus vom Band fernzuhalten. Zunächst wird am Eintrittsport die Unterarmfaszie dargestellt und inzidiert. Anschließend wird mit einem Dissektor in den Karpaltunnel eingegangen. Man tastet deutlich die typische Waschbrettstruktur der derben queren Bandfasern. Zunächst erfolgen die Inspektion des Bandes mit der 30°-Grad-Optik und die Identifizierung des distalen Bandendes. Synoviales Gewebe auf dem Band wird mit einer Knopfsonde abgeschoben, bis man freie Sicht auf das Band hat (Abb. 2). Die Durchtrennung des Bandes erfolgt von distal nach proximal mit dem Hakenmesser (Abb. 3). Aufgrund der Banddicke sind in der Regel mehrere Schnitte bis zur vollständigen Durchtrennung erforderlich.

 

Abb. 1: Markierung der Inzisionen für Eintritts- und Austrittsport

 

Abb. 2: Endoskopischer Blick auf das Retinaculum flexorum

 

Abb. 3: Durchtrennung des Bandes mit Hakenmesser unter endoskopischer Kontrolle

 

Ist das Band komplett durchtrennt, prolabiert meist Fettgewebe in den Karpaltunnel. Die Inzision sollte nur das Retinaculum flexorum erfassen. Die Palmaraponeurose, leicht erkennbar an den Längsfasern, sollte intakt bleiben, um den Inhalt des Hohlhand zu schützen. Die Inzisionen werden mit je 2 Hautnähten verschlossen. Postoperativ wird für 24 Stunden ein Watteverband angelegt. Der Patient wird aufgefordert, die Hand nach Abklingen der Lokalanästhesie sofort für leichte Tätigkeiten einzusetzen (z. B. Kaffeetrinken). Die Fäden werden nach 10 Tagen entfernt. Die Hand kann nach ca. 3 Wochen im täglichen Gebrauch normal eingesetzt werden. Nach 2 Monaten erfolgt eine klinische und elektrophysiologische Verlaufskontrolle.

 

Komplikationen

Die Spaltung des Handgelenkbandes ist eine einfache Operation mit geringem Risikopotential. Die Risiken der offenen und endoskopischen Operation sind prinzipiell identisch. Potentielle Komplikationen sind Verletzungen von Nerven (N. medianus, N. ulnaris, Nn. digitales palmares communes, R. palmaris), Gefäßen (oberflächlicher Hohlhandbogen) oder Sehnen. Die Komplikationsrate für die endoskopische Technik wird mit 0,25 - 2,5% angegeben. Hauptproblem in unserer Serie von ca. 180 Operationen war ein Abbruch der Operation (3 Fälle), da der Karpaltunnel extrem eng war, und die Kanüle sich nicht ohne Auslösen von starken Schmerzen in den Kanal einführen ließ.

 

Ergebnisse

Die Ergebnisse bei offener und endoskopischer Operation sind hinsichtlich der Rückbildung der Schmerzen und Parästhesien identisch (ca. 98% Erfolgsrate). Die Vorteile der endoskopischen Operation liegen in dem geringeren Trauma und damit der schnelleren Genesung und Wiedererlangung der Gebrauchsfähigkeit der Hand. Der postoperative Wundschmerz ist reduziert. Die Narben sind weniger druckdolent. Die endoskopische Operation hat eine sehr hohe Patientenakzeptanz (Abb. 4).

Abb. 4: Hand 3 Monate postoperativ

 

Zusammenfassung

Die endoskopische Spaltung des Retinaculum flexorum ist die Therapie der ersten Wahl beim KTS. Sie ist nicht für Rezidive geeignet. Bei anatomischen Besonderheiten oder technischen Problemen sollte man nicht zögern, die Operation offen weiterzuführen.